42. Massivbauseminar
Spannende Impressionen vom 42. Darmstädter Massivbauseminar – Wege zum nachhaltigen Massivbau
15.10.2024
Wie kann der Massivbau in Deutschland umwelt- und klimafreundlicher werden? Mit dieser Frage befasste sich letzte Woche Mittwoch und Donnerstag das 42. Massivbauseminar an der TU Darmstadt. Die zweitägige Veranstaltung unter Leitung von Prof. Danièle Waldmann-Diederich stand unter dem Motto „Wege zum nachhaltigen Massivbau“ und fand im Wilhelm-Köhler-Saal des alten Hauptgebäudes der TU Darmstadt statt.
Die Vorabendveranstaltung am 09.10.2024 wird nach einer Einführung von Frau Prof. Waldmann-Diederich und einem Grußwort der Hessischen Bauwirtschaft von Herrn Thomas Mathias Reimann mit einem spannenden Impulsvortrag von Prof. Manfred Curbach (Institut für Massivbau, TU Dresden und LAB Living Art of Building) eröffnet. Er zeigt eindrucksvoll, dass JETZT eine radikale Bauwende erforderlich ist, um die Klimaziele zu erreichen und den Planeten vor noch schlimmeren Katastrophen zu beschützen – es ist 90 Sekunden vor 12. Er unterstreicht, dass es nicht nur eine Lösung, sondern einer Vielzahl an Lösungen bedarf, um den Bausektor zu einer Klimaneutralität zu führen. An diesen Impulsvortrag anschließend werden in einer spannenden Podiumsdiskussion mit Herrn Prof. Curbach, Herrn Dr. Christian Hey (Hessisches Ministerium), Frau Dr. Katja Hüske (DB InfraGO AG), Herrn Prof. Christoph Müller (VDZ Technology gGmbH), Herrn Thomas Mathias Reimann (Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen e.V.) und Herrn Thomas Zawalski (solid UNIT e.V.) die maßgeblichen Herausforderungen auf dem Weg zum nachhaltigen Massivbau diskutiert. Dabei klingt an, dass es bereits viele Lösungsideen und vielversprechende Ansätze gibt. Es gibt jedoch weiterhin einen enormen Forschungsbedarf, um solche Lösungen bis hin zu einer baupraktischen Anwendbarkeit zu entwickeln. Eine weitere große Herausforderung sehen die Teilnehmenden der Podiumsdiskussion darin, dass der Einsatz von nachhaltigen Lösungen häufig noch höhere finanzielle Investitionen von Unternehmen und Bauherren bedeutet.
Bei einem anschließenden, geselligen Abendessen im benachbarten Welcome Hotel werden die angeregten Diskussionen bei leckerem Essen und kühlen Getränken fortgesetzt, wobei auch ein reger Austausch unter den Teilnehmenden stattfindet.
Am Donnerstagmorgen startet das in vier Themenblöcken unterteilte Tagesseminar, dass sich am nachhaltigen Kreislaufmodell des Institut für Massivbau orientiert:
Im ersten von vier Vortragsblöcken, dem Vortragsblock Nachhaltige Baustoffe, widmeten sich Herr Prof. Christoph Müller (VDZ Technology gGmbH) und Herr Fulvio Canonico (Wilhelm Dyckerhoff Institut) der Fragestellung wie der Baustoff Beton Klimaneutralität erreichen kann. Sie zeigten den Zuhörern welche Rolle neue Bindemittel, zementreduzierte Betone und CO2-Abscheidung und -Speicherung dabei spielen können. Dabei berichtete Herr Prof. Müller schwerpunktmäßig aus Sicht der Zementindustrie insgesamt während Herr Canonico auf die konkrete Umsetzung verschiedener Lösungsansätze aus Unternehmer-Sicht eingeht. Somit zeigten beide Referenten eindrucksvoll die aktuellen industriellen Möglichkeiten und zukünftigen Perspektiven der Zement- und Betonherstellung auf.
Nach einer geselligen Kaffeepause beschäftigte sich der zweite Vortragsblock Nachhaltiger Gebäudeentwurf mit der Frage wie wir neue Bauwerke bereits in der Entwurfsphase kreislauffähig konzipieren können. In drei Vorträgen werden dazu unterschiedliche Lösungsansätze für den Massivbau vorgestellt: Prof. Danièle Waldmann-Diederich (Institut für Massivbau, TU Darmstadt) stellte das Potential eines demontierbaren Holz-Beton-Verbunddeckensystems vor, Dr. Kati Herzog (GOLDBECK) zeigte verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien im Fertigteilbau auf und Prof. Alexander Schumann (CARBOCON GMBH) präsentierte aktuelle Erkenntnisse und Praxisprojekte für Tragwerke aus Carbonbeton, bzw. für mit Carbonbeton verstärkte Bestandsbauwerke.
Nach einer kommunikativen Mittagspause mit leckerem Buffet im Foyer des Wilhelm-Köhler-Saals geht das Programm mit dem dritten Vortragsblock Monitoring über die Lebensdauer weiter. Prof. Alfred Strauss (Universität BoKu Wien) zeigte mit seinem Vortrag wie man bei der Vielzahl an sanierungsbedürftigen Brückenbauwerken Schäden erfassen und auswerten kann, um die Lebensdauer von Bestandsbauwerken möglichst zu erhöhen und gleichzeitig zuverlässig abzuschätzen. Der anschließende Vortrag von Herrn Frank Plöger (HOCHBAHN U5 Projekt GmbH) beschäftigte sich mit der Optimierung von Energie- und Rohstoffströmen des Groß-Infrastrukturprojektes der neuen U5-Bahn-Linie in Hamburg und zeigte anschaulich wie durch eine umfassende Bilanzierung und Optimierung während der Planung große Mengen an CO2 und Ressourcen eingespart werden können. Der dritte Vortrag in diesem Block von Johanna Theilmann (DB InfraGO AG) veranschaulichte die Herangehensweisen der DB InfraGo auf dem Weg zu einem klimaneutralen Bahnprojekt.
Nach einer weiteren Kaffeepause mit regem Austausch der Teilnehmenden widmete sich das Seminar dem letzten Themenblock Wiederverwertung und Recycling. Michael Scharpf (Holcim Germany) präsentierte aktuelle Zahlen zum Recycling von Beton und Zement und machte mit Blick auf die Schweiz deutlich, dass es in Deutschland noch ein großes Potenzial für eine Erhöhung der Recyclinganteile im Beton gibt. Der letzte Vortrag von Angelika Mettke (BTU Cottbus) zeigte anhand einer Vielzahl durchgeführter Projekte eindrucksvoll die Möglichkeit der Wiederverwendung ganzer Betonelemente in neuen Bauwerken. Frau Mettke stellte heraus, dass bei dieser klimaschonenden Bauweise vor allem ein Mangel an Richtlinien zu sehr hohen Umsetzungskosten und Aufwänden führt, die Bauweise selbst jedoch ein enormes Potential für eine nachhaltige Bauwende in sich trägt.
Nach diesen zwei Tagen voller inspirierender Lösungsansätze konnten den Teilnehmenden einige vielversprechende Wege zum nachhaltigen Massivbau aufgezeigt werden. Es wurde jedoch auch deutlich, dass der zu gehende Weg noch ein weiter ist.
Wir bedanken uns bei den Referenten für die schönen Vorträge und bei allen Teilnehmenden für den regen und interessierten Austausch und freuen uns schon auf unser nächstes Darmstädter Massivbauseminar.